La Doyenne – Lüttich-Bastogne-Lüttich

Ein Frühjahrsklassiker…

Ende April 2019 wurde das älteste Radrennen der Welt: Lüttich-Bastogne-Lüttich ausgetragen.

Wie bei fast allen Klassikern haben die Nicht-Profis am Vortag die Möglichkeit, die Strecke als Challenge zu fahren.

Auf nach Belgien! Startunterlagen holen und los!

Der Wecker klingelt um fünf. Der erste unserer Truppe ist schon abfahrbereit und baut die Lampen ans Rad. Drei Tassen Kaffee später kann ich mich nicht überwinden, irgendwas zu essen…, leichter Regen…, wie angekündigt, und voraussichtlich kühle zehn Grad. Von uns acht im Ferienhaus sind Eileen und ich die letzten, die loskommen. Unser Startfenster ist bis um sieben, und Punkt sieben rollen wir über die Startlinie.

Also nur noch 276 km zu fahren…!

Und kurz nach Verlassen der Stadtgrenze erklimmen wir die ersten von fast 5000 Höhenmetern.

Nun geht’s in Wellen und Kurven übers Land in die Ardennen. Leichter Dauerregen und leider doch nur drei Grad. Langsam wird’s kalt! Keine Handschuhe und kurze Hosen…, und vorbei am Abzweig der kürzeren 160km Runde. Nun gibt’s kein zurück mehr! Eileen kurbelt locker einen Hügel nach dem anderen, und dann endlich ein großer Zug, mit dem wir mitrollen können. Einige schnelle Kilometer in der Gruppe, ein kleiner Ort, und nach einem Rechtsknick steht die Straße wie eine Wand vor uns! Die erste Steigung, die sich uns mit über 20% entgegenstellt. Auf der ganzen Straßenbreite kämpfen die Radler gegen die Steigung, die sich im weiteren Verlauf seichter gestaltet. So ähnlich und meist mit einer Länge von 3km sollen sich nun Hügel und schnelle Abfahrten abwechseln. Nach den ersten hundert Kilometern sind die Finger längst nicht mehr zu spüren. Einzige Entschädigung ist die schöne Landschaft und die regelmäßige Portion Adrenalin, wenn’s mal wieder mit 70 in die nächste Abfahrt geht.

Ab Bastogne: Hagel…!

Am Versorgungspunkt gibt’s nichts Warmes zu trinken und ein Verweilen lohnt nicht. Dann eben Milchbrötchen und Salami aus der Trikottasche.

Auf der Geraden und bergab bin ich vorn und am Berg zeigt mir Eileen ihr Hinterrad… .

Die Gruppen werden immer kleiner. Alle sind ausgekühlt und kämpfen gegen den Wind und die ständigen Steigungen.

Nach fünf Stunden Fahrt schafft es die Sonne manchmal durch die Regenwolken zu strahlen und öffnet die Augen wieder für die grünen Landschaften.

Jeder überwundene Hügel bringt uns dem Ziel näher und das schlechte Wetter passt zu den Frühjahrsklassikern. Mit jedem Meter steigt die Freude, gemeinsam die gewaltige Strecke bewältigen zu können.

Wieder ein kleiner Ort und plötzlich alles voller Wohnmobile, die Strecke abgesperrt und mit Werbebannern bekleidet. Hier ist die Rennluft des Folgetages schon spürbar. Und natürlich schraubt sich die schmale Straße bald mit 20% den Berg hinauf. Es ist einer der letzten großen Hügel des Rennens. Die Beine wollen langsam die Kurbel nicht mehr drehen, aber mit letzter Kraft ist auch der Hügel gefressen, und natürlich ist Eileen wieder vorne weg.

Ein paar Kurven, noch ein wenig rauf und runter und zurück nach Lüttich!

Euphorie! Einige schnelle Kilometer in die Stadt und nach über 10 Stunden durchs Ziel…!

Glücklich und knülle stoßen wir mit frisch gezapftem belgischen Bier an, dazu ne Wurst vom Grill, und ruhig weiter zur Ferienwohnung.

Am Abend sitzen wir zu acht bei Pasta und Bier am großen Tisch in unserer Herberge. Alle haben es geschafft und jeder hat seine kleine Heldengeschichte zu erzählen…,

300 km und 5000 hm sorgen bei allen für ein zufriedenes Grinsen und einen tiefen Schlaf!

Und am Tag drauf ab ins Fahrerlager der Profis und zur Liveübertragung an der Ziellinie.

Frauen Elite und dann die Männer.

Der erste war nach sechseinhalb Stunden da, wow!

Und wieder die große Frage: Was nehmen wir uns als nächstes vor? 😉

Robert Kannis